Hallo ihr Lieben

Lange ist’s her, seit meinem letzten Blogeintrag. Ich war irgendwie nicht so richtig motiviert, hatte das Bedürfnis, mich zurückzuziehen. Zurückzuziehen von der Welt, von dem ganzen Geschehen «da draussen», von den Diskussionen und dem gegenseitigen «ich hab recht»-Gerangel. Anstatt sich auf die alte Lakota-Weisheit Mitakuye oyasin, was so viel bedeutet wie: wir sind alle verwandt, scheint es vielen Individuen wichtiger zu sein, immer und immer wieder Öl ins Feuer zu giessen und so den Hass und Wut auf andere Menschen noch mehr zu schüren. Wie traurig, dass sie nicht begreifen, dass sie sich ihre eigene Hölle schaffen anstelle des Himmels auf unserer wunderbaren Mutter Erde.

Ich war in den letzten Monaten immer wieder in Versuchung, auch meinen «Senf» in den sozialen Medien dazuzugeben, habe mich aber bewusst dagegen entschieden. Ich glaube jeder Mensch, der einen gesunden Menschenverstand besitzt begreift, dass hier gerade etwas gewaltig schiefläuft. Aber für mich persönlich macht es keinen Sinn, weder auf der einen, noch auf der anderen «Seite» Stellung zu beziehen. Denn wie schon oben erwähnt: Mitakuye oyasin – wir sind alle verwandt und somit auf derselben «Seite».

Jetzt möchte ich euch aber von meinem heutigen Tag erzählen.

Die letzte Nacht war alles andere wie ruhig. Ein Sturm hat getobt. Lautes Geheul ums Haus herum, die Windspiele an den Bäumen haben alles gegeben, doch gottseidank sind sie anscheinend sehr gut befestigt, denn heute Morgen hingen alle noch dran 😉. Die Hunde schien das Getöse da draussen nicht zu stören, sie lagen im Tiefschlaf in ihren Betten. Die Hühner waren in ihrem Stall, die Katzen in ihren Körbchen in der warmen Waschküche, und wenn ich gekonnt hätte, hätte ich auch noch meine beiden Pferde Smart und Lilla Q ins Haus geholt. So konnte ich nur hoffen, dass sie sich in den Stall zurückgezogen hatten.

Um vier Uhr morgens bin ich bereits wieder wach und immer noch fegen die Böen (oder heisst es Bojen? – fürs Rägeli (ist ein Insider)) über Land und Haus hinweg. An weiterschlafen ist nicht mehr zu denken, trotzdem versuche ich es beharrlich, bis um Sechs der Wecker klingelt. Während der zwei Stunden überlege ich die ganze Zeit, wieviel klüger es doch wäre, jetzt aufzustehen und etwas Yoga zu praktizieren, statt sich von einer Seite auf die andere zu wälzen. Aber was soll ich sagen, irgendwann schaff ich es bestimmt, meinen inneren Schweinehund zu überwinden.

Um 6.45 Uhr setzen sich Tim und ich also ins Auto, damit ich ihn zum Bus fahren kann. Ich habe schon so einen leisen Verdacht, dass der Sturm eventuell ein paar Bäumen zum Verhängnis geworden ist, was sich nach 200 Metern auch tatsächlich bestätigt. Ein Baum liegt quer über unserem Weg, der vom Hof führt. Tja, dass wir den Bus nicht mehr schaffen ist ja klar. Und dass ich nicht um 8 Uhr zur Arbeit antreten kann, wohl auch. Wir also rückwärts zurück auf den Hof, rein in die Werkstatt, Kettensäge schnappen und zurück zum Baum. Da es natürlich noch stockdunkel ist um diese Zeit, sind die Scheinwerfer des Autos perfekt und MEIN Sohn (man, mein Mutterherz schwillt vor Stolz) wirft die Motorsäge an, zerteilt den Baum und mit vereinten Kräften machen wir den Weg frei. Die Motorsäge lassen wir gleich im Auto, könnte ja sein, dass sie nochmals zum Einsatz kommt.

Weiter im Schnellvorlauf: Mit Tim 40 Minuten in die Schule fahren, anschliessend zur Arbeit, nachhause, Pferde füttern, Stall misten, Hunde spazieren, heruntergefallene Äste wegräumen, Zäune kontrollieren. Und wie ich nach getaner Arbeit vor der offenen Garage stehe, sehe ich einen süssen kleinen Vogel davorsitzen. Er fliegt auf und schnurstracks in die Garage rein, dann höre ich ein PLOPP. Ich denke mir gleich, dass er gegen die Scheibe geflogen ist, laufe hinein und sehe ihn tatsächlich am Boden sitzen, etwas benommen, aber er lebt. Ich also dahin, da schiesst von links aus der Katzentür Garfield heraus und schnappt sich den kleinen Vogel! Ich bin entsetzt, packe ihn am Nacken, schüttle ihn und schreie «AUS!» Bei den Hunden klappt das immer, aber bei Katzen scheint das anders zu sein. Mein Gott, was für ein Drama! Er knurrt mich an, ja echt, der knurrt mich an! Das Vögelchen zwischen seinen Zähnen. Ich lasse ihn los, denn inzwischen hoffe ich nur noch, dass er den Kleinen möglichst schnell tötet, um ihm ein langes Leiden zu ersparen. Ich will ihn zur Garage hinausjagen, da dreht er sich um und flitzt durch die Katzentür wieder in die Waschküche. Super! Ich hinterher, da verschanzt er sich hinter der Waschmaschine. Ich höre das Vögelchen immer noch leise Laute von sich geben und bin kurz davor loszuheulen. Keine Chance, ihn dahinter hervorzukriegen. Völlig hoffnungslos. Es bleibt mir nichts anderes übrig als rauszugehen und geschehen zu lassen, was geschehen muss. Ich weiss, das ist Natur und so. Aber ganz ehrlich, jeden Morgen und jeden Abend ziehen Garfield und Jackie dieselbe Nummer ab, wenn ich mit dem Futter komme. Sie schreien, springen hoch, reissen mir das Futter beinahe aus den Händen. Man würde meinen, die sind am verhungern (sie sind übrigens nicht zu dünn) und dann müssen sie trotzdem noch Vögel ermorden??? Ich weiss, ich hätte ihn loben sollen. Mach ich auch, wenn er mit einer toten Maus im Maul daherkommt (nicht, dass ich finde, Mäuse sind weniger süss oder so, aber sie machen halt Schaden). Aber ihn zu loben, schaff ich echt nicht. Auf jeden Fall gibt es eine Stunde später Abendessen und was soll ich sagen? Das übliche Geschrei bleibt nicht aus. Ich wünschte mir, Garfield würde sich mit Lasagne begnügen, wie das ein echter Garfield eben tut.

Ich hab jetzt 1 Stunde Yoga gemacht, viel mit Entspannen und so, um wieder in meine Mitte zu kommen nach diesem dramatischen Erlebnis. Jetzt gehe ich ins Bett und hoffe, dass der Sturm heute Nacht ebenfalls schläft und ein sanfter Wind die kleine Vogelseele in die Weiten des Universums trägt.

Euch allen eine gute Nacht da draussen

Herzlichst

Eure Ilvy